Samstag, 16. Juni 2012

Parzelle 28


Parzelle 28 ist 388 Quadratmeter groß und jetzt unser Schrebergarten. UNSER SCHREBERGARTEN!! Ich könnte immer noch AUSFLIPPEN bei dem Gedanken!
Seit dem 1. Juni 2012 sind wir Pächter (ein Wort dass mich ja noch mehr an Jane Austen denken lässt!) und alles was auf diesem Stückchen Land steht gehört uns. 

Das Land selbst gehört natürlich der Stadt, wir haben es gepachtet und werden pro Jahr so in etwa 140 Euro an Pacht bezahlen. Dazu kommen dann noch Nebenkosten und die Strassenreinigung von 40 Euro, und so ca. 90 Euro für Frisch- und Abwasser. Dann noch eine Laubenversicherung für 50 Euro und der Jahresbeitrag für die Mitgliedschaft im Kleingartenverein von 42 Euro. Strom ist, wenn es hoch kommt, auch noch einmal ein Betrag von 40 Euro, aber vermutlich weniger, denn ich möchte Kerzenlicht und der Mann will alles an Nahrung Grillen. Mit Holzkohle natürlich. Allerdings muss das Bier ja auch noch kalt gestellt werden und der Lauben-Kühlschrank sieht so aus als wäre er Geräteklasse Z. 
Alles in allem sind die Fixkosten aber also überschaubar und weniger als die monatliche Miete für unserer Wohnung.

Dann war da aber noch der so genannte Abstand. Die größte Investition nach dem Kauf des Wagens vor ein paar Jahren.
Wir haben an den Vorpächter die Summe von 7.460 Euro gezahlt und damit quasi ein 22,5 Quadratmeter großes Steinhaus mit Abwasseranschluss und Toilette und die auf dem Grundstück stehenden Pflanzen gekauft.

Das Steinhaus heisst im Kleingärtnerjargon Laube und ist leider nicht das hübscheste Haus der Welt denn es ist geklinkert. Holzhausbesitzer finden das beneidenswert stabil, ich beneide aber den pittoresken Charme der Holzlauben. Besonders die blau weiß gestrichene Laube von Parzelle 25. Ich mag Klinker nicht, aber da fällt mir schon was ein...





Die Pflanzen und das Steinhaus wurden mit kleingärtnermäßiger Genauigkeit akkurat und ordnungsgemäß in einer "Wertermittlung zur Gartenabschätzung" mit einem Wert versehen und aufgelistet. Ich finde das irre interessant. Dass Lebewesen wie Pflanzen aufgrund ihres Alters und ihrer Gesundheit centgenau  evaluiert werden können! So ist der mickrige Apfelbaum 27 Euro wert und der größere 54 Euro. Der kleine Birnenbaum hat einen Wert von 36 Euro und die zwei Brombeersträuche die hinter dem Haus wuchern 20 Euro. Die 5 Johannisbeersträucher zusammen 27,50 Euro, die Stachelbeere....

Ich glaube ich mache besser ein Foto, denn da sind ja auch noch die größeren mehrjährigen Pflanzen und der etwas zerzauste und vermooste Rasen der aber wohl noch 100 Euro wert ist. Sogar die Rasenkantensteine haben wir bezahlt!! 




Was wir nicht bezahlen mussten ist all das was in der Laube ist. Das hat uns der Vorbesitzer einfach so geschenkt und das ist eine unglaubliche Vereinfachung. Denn die meisten Geräte und Werkzeuge sagen mir so gar nichts, sind aber offensichtlich für irgend etwas gut. Ihre Funktion erschliesst sich meist mit etwas genauerer Beobachtung und gesundem Menschenverstand, wären sie aber NICHT da, würde ich vermutlich gar nicht wissen dass es sie gibt und wie sie mich beim Bezwingen und Formen dieses Gartens unterstützen. Oder besser meinen Mann, denn ich hab vor allem was ein Kabel hat etwas Respekt und ihn zieht so etwas magisch an.

Als er also die schwere blaue Tor zum Schuppen aufmachte, leuchteten seine Männeraugen. Rasenmäher, Häcksler, Vertikutierer, Kantenschneider, elektrische Heckenschere und dazu unzählige Spaten, Harken und andere martialische Ungetüme aus Stahl und Holz.


Ich entdecke an der Rückwand des Werkzeugregals kleine Aufkleber und werte das als Zeichen, dass dies tatsächlich der Garten Edi ist.




In der Laube selbst steht bereits ein kleiner Fernseher, eine kleine Stereoanlage mit CD Player und Kassettendeck, die in Zeiten von iPhone, iPod und MP3s allerdings obsolet erscheint. Die Küchenzeile ist selbst gebaut, sehr schlicht um es freundlich auszudrücken aber irgendwie nett. Ein alter Sekretär mit Bücher übers Gärtnern und sehr viele Plastiktüten, Schachteln mit Samen und Flaschen mit Essig. Dazu einiges an Nippes und alten Bildern.

Das Haus ist das eines älteren Herren, der es vor 20 Jahren selbst gebaut und nach seiner Façon eingerichtet hat. Es wird einiges an Spucke und Imagination erfordern um es wohnlich und heimelig nach unseren Vorstellungen zu machen, aber das traue ich mir zu.

Auch der Werkzeugschuppen muss erst einmal aufgeräumt, sortiert und gründlich sauber gemacht werden, denn schliesslich ist hier auch vor zwei Jahren die Toilette eingebaut worden und noch ist es etwas umständlich, zum Pipi machen über den Rasenmäher zu klettern. Sobald wir das Geld beisammen haben, werden wir umgehend ein kleines Gerätehaus kaufen und es an der Stelle positionieren, an der bis jetzt noch ein alter Komposter von Mohnblumen umwuchert wird.

Auch die alte Bank und der wuchtige, vermutlich ebenfalls selbst gezimmerte Tisch müssen irgendwann von seiner etwas abstossenden braunen Farbe befreit und weiß lackiert werden. Nachdem unzählige Spinnweben entfernt und der Garten von dem alles überwuchernden Unkraut befreit wurde.

Dann wird Parzelle 28 irgendwann der Garten Edi meiner Träume, aber schon jetzt ist er auf einem sehr guten Weg dorthin, denn es ist unser Ort an dem wir fortan werkeln und gestalten können.