Und plötzlich war ich nicht nur Mitglied im Deutschen Teckelklub, sondern auch in einem Kleingärtnerverein.
Aber der Reihe nach.
Zuerst kam der Dackel, dann im Jahr darauf der Schrebergarten.
Ich hatte weder von Hunden noch vom Gärtnern die geringste Ahnung, aber diese kindliche Zuversicht, dass die Erfüllung solcher Mädchenträume das Leben nur bereichern kann. Das war ohne Frage naiv.
Aber schön. Schön aufregend.
Ich habe ein Lebensmotto. Eigentlich habe ich viele von diesen hilfreichen metaphorischen Leitfäden, aber dieses ist eins meiner liebsten:
"Bekommst du Zitronen, mach Limonade daraus."
Gefolgt vom handwerklichen
"Jeder ist seines Glückes Schmied."
Die kann ich mir beide gut merken, egal was im Alltag so passiert.
Als ich also Anfang 2011 plötzlich und unerwartet meinen Job verlor, weinte ich kurz vor Überraschung auf dem Klo, rief dann meine Mama an und gemeinsam kamen wir ziemlich schnell zu der Erkenntnis, dass das doch prima sei!
Endlich Zeit um herauszufinden, was ich mit meinem Leben noch so machen wollte, Dinge ausprobieren und mal gucken was man so macht, wenn das Leben plötzlich durch äussere Umstände verändert wird, Türen geschlossen und Türen geöffnet wurden und man auf einen Weg geschubst wird, der erst noch gezeichnet werden muss. Oder zumindest ertastet und als gehbar empfunden.
Vier Monate Lohnfortzahlung waren ein Luxus an Zeit die es zu füllen galt. Ich bin gut im Zeit füllen und nach zehn Jahren Festanstellung mit mal mehr mal weniger geregelten Arbeitszeiten (ich mach irgendwas mit Medien) fand ich es erstaunlich, wie viel man vom Leben so mitkriegt, wenn man nicht in einem Büro eingesperrt ist. Zuerst fehlten mir meine Strukturen, dann bastelte ich an eigenen, die sich ganz langsam meinem Leben anschmiegten. Bis ich mich sicher aber wunderbar frei fühlte.
Ich fasste den tollkühnen Entschluss, mich selbständig zu machen! Eine Entscheidung die sehr, sehr viel Arbeit in Form von Lernen und Bedenken nach sich zog. Selbstmotivation und Reflexion und dazu das Entdecken von exotischen Dingen wie Einnahmen-Überschussrechnungen und Umsatzsteuervoranmeldungen. Ich hatte KEINE Ahnung und wollte aber schnell selbst einen Überblick über alles haben um diese permanente Unsicherheit in den Griff zu kriegen. Das Hin und Her zwischen Zuversicht und Verzweiflung und das abwechselnd stockende und dann voran stolpernde Ansammeln von benötigtem Wissen und Formalitäten würde einen eigenen Blog zum Thema Existenzgründung vs. Existenzangst füllen doch zu der Zeit stand mir der Sinn nicht so nach Schreiben.
Darum zusammen gefasst das Resultat: Seit dem 14. Juni 2011 arbeite ich von zu Hause aus als Pixelpolly (
www.pixelpolly.de). Was ich mache? Irgendwas mit Medien... ja, echt.
Mal retuschier ich Bilder für Fotografen oder Werbeagenturen (denn das habe ich gelernt), dann gestalte ich Monopoly-Spiele oder Plakate, Broschüren und Flyer, manchmal entwerfe ich Logos und manchmal schreibe ich auch. Mit etwas Glück und Spucke kommt 2013 ein Buch über Hochzeitsfotografie auf den Markt, für das ich die Texte geschrieben habe. Denn Schreiben und Worte sammeln sind meine Trippel-Trappel-Steckenpferde die mal lange im Stall stehen und dann wieder mit den Hufen scharren.
Bei allem Guten und wachsender Zuversicht durch viele neue Projekte, zufriedene Kunden und neue Perspektiven fiel mir aber trotzdem zu Hause die Decke auf den Kopf. Meine wilde geliebte Katze Polly wurde überfahren und alles war schlagartig sehr einsam und traurig zu Hause. Ich konnte kaum blinzeln, so schnell saß ich ganz tief in einem Loch und hatte nicht mehr so richtig Lust so alleine zu Hause etwas zu tun. Unsere gute alte Mali-Katze versuchte zu trösten, aber sie war nicht Polly. Am liebsten wäre ich in den Rucksack meines Mannes geklettert und mit ihm in sein buntes Büro in dem trubeligen Spieleverlag gefahren. Aber das ging ja nicht.
Mein Mann, der wie Mc Gyver immer eine Lösung findet, nahm meine Hand und sagte folgenden, wunderschönen Satz:
"Vielleicht ist jetzt die Zeit richtig, dass du deinen Dackel bekommst."
Einen Monat später zog die kleine Edi bei uns ein.
Ich weiß nicht, was es mit mir und Dackeln ist, aber ich fand sie immer schon ganz und gar reizend, zauberhaft und so ulkig, dass ich mir nicht vorstellen konnte, mit einem Dackel im Leben noch einmal
SO RICHTIG unglücklich zu werden.
Ich überhörte Warnungen, dass Dackel nicht gerade die "einfachsten" Hunde für Anfänger seien und entgegnete nur, dass ich nicht vorhabe, erst an einem "einfachen" Hund zu üben. Ich wollte
EINEN Hund und das sollte der richtige sein!
Wir fanden Edi in Solingen, besuchten sie einmal und nahmen sie beim nächsten Treffen direkt mit. Wir liebten sie von der ersten Sekunde an und bekamen in der ersten Stunde eine Vorahnung davon, was es heisst Verantwortung für ein fremdes Leben zu tragen, für dessen Glück und Entwicklung.
Auch das wäre jetzt wieder ein Thema für ein Buch oder zumindest einen blog gewesen, aber auch diesmal war mein Kopf zu sehr beschäftigt mit dem Sammeln von Erfahrungen und die Tage wurden zu Monaten und unser Leben mit Hund war ein ganz anderes als das ohne. Wir konnten uns nicht mehr vorstellen, wie es ohne Edi gewesen war, vermutlich unabhängiger und mehr auf uns konzentriert aber keinesfalls besser. Jeder Tag mit Edi war und ist ein schöner Tag, an dem sehr, sehr viel gelächelt wird.
Zum Glück fanden wir die warmherzige, lustige und hilfsbereite Gruppe Meerbusch des Deutschen Teckelkubs, mit der wir Samstags die kleinen Dackel etwas trainierten und für das Leben an Leine und Strasse vorbereiteten. Dazu kamen schöne Ausflüge und immer ein offenes Ohr und ein hilfreicher Rat.
Aber das Leben ist ein Fluss und nichts bleibt wie es ist. Am Ende des Jahres kündigte mein Mann seinen Job als Art Director um fortan als freiberuflicher Künstler und Illustrator zu arbeiten. Von zu Hause aus.
So war unsere Wohnung plötzlich absoluter Mittelpunkt unseres Lebens. Wir arbeiteten und lebten zusammen, die Wohnung füllte sich sukzessive mit Öl- und Acrylgemälden, Wasserfarb-Blöcken und den Dingen, die wir für unsere Arbeit brauchten.
Dazu wuselte Edi zwischen uns und die alte Katze Mali schlief neben der Tastatur.
Es wurde manchmal eng. Räumlich und auch emotional.
Jetzt hätte ich wieder ein Buch oder einen Blog über die Auswirkung von sehr, sehr viel gemeinsam verbrachter Zeit auf begrenztem Raum, der Vermischung von privatem und beruflichem, geteilten Ängsten über eine auch objektiv unsichere Zukunft auf eine junge Ehe oder Beziehung schreiben können, aber nein, ich hatte den Kopf wieder zu voll.
Dazu kam die Entwicklung von Edi, die sich aufgrund unserer Unerfahrenheit zu einem ängstlichen, auf der Strasse unsicheren Hund entwickelte und nun erst mal von einem zu Viel an Reizen verschont und behutsam heran geführt werden musste.
Wir verbrachten also
NOCH MEHR Zeit zu Hause. Das kreative Arbeiten auf begrenztem, manchmal unaufgeräumten Raum wurde oft schwer, gerade wenn sich noch diverse Fragen über die Zukunft dazu gesellten. Mir fiel wieder die Decke auf den Kopf.
Mein Vorschlag (mit noch ungewissem Ausgang) war eine Verbindung von Wunsch und Schicksal: ich erfuhr durch eine hier zu weit ausholende, für mein Leben aber typische "glückliche Fügung" von einem Schrebergarten ganz in unserer Nähe, der aufgrund eines Krankheitsfalls zum Verkauf stand.
Ich wählte die unbekannte Nummer und kannte nach 5 Minuten den liebenswerte Noch- und nun Vorbesitzer unseres Gartens.
Der Parzelle 28.
Unseres Stückchens grünen Glücks.
Unserem Garten Edi.
Dies würde fortan unsere Zuflucht sein, vor zu viel Enge, zu viel Bildschirmarbeit und garstigen Acrylfarb-Gerüchen. Hier würden unsere Hände in krumige Erde tauchen und uns erden, wie man so schön sagt.
Hier würden wir pflanzen und zupfen und den Duft unseres kleinen Stückchens Freiheit und Eigentums atmen.
Aber erst einmal würden wir sehr, sehr viel lernen müssen.
Und diesmal werde ich versuchen, ein klein wenig darüber Buch zu führen. Oder eben diesen blog.