Sonntag, 23. September 2012

Von Trauben und sich trauen

So, es ist so weit. Der Herbst fängt an und wir beginnen damit, Trauben im großen Stil abzuschneiden und zu verteilen. Denn es gibt immer mehr Besucher im Garten Edi, die diese kleinen, dunklen Kügelchen erst zaghaft in den Mund stecken, vermutlich auf das säuerlichste und kernigste vorbereitet, und dann erstaunt feststellen: "Öhm. Mh. He! Die sind ja irgendwie...lecker!" Der erste war der Mann, der ab und zu schon grüne Trauben naschte und irgendwann nicht mehr das Gesicht verziehen musste. Die zweite war vermutlich Phuong, die die Garten-Edi-Trauben mit denen verglich, die sie auf ihrer Reise in Japan gegessen hatte.

Phuong ist somit auch die erste, die eine richtige Portion der richtigen ersten Ernte bekommt. Morgen, wenn ich sie Abends nach der Arbeit zum Mädelsabend in der Stadt treffe. Dann werde ich eine Tüte mit Edi-Trauben im Gepäck haben. Trauben und die Sorge, dass ich gerade etwas überfordert bin... meinen Fulltime-Job mit den Aufgaben im Garten in Einklang zu bringen... aber der Abend wird enden wie alle Abende mit Phuong und Maja enden: Optimismus, Zuversicht und der Überzeugung, dass wir die Größten sind und alles schaffen was wir wollen! Ach, was freue ich mich auf Morgen!

Aber heute ist noch Sonntag. Der Mann und ich haben uns bewusst für einen Tag fern von Wohnung und Garten entschieden und waren in der Stadt. Im Museum, Kuchen essen, einen Wein trinken. Kein Wort über die Arbeit, keines über Pflichten.

Aber kaum zu Hause, wollte ich kurz in den Garten, mit Edi und ihrer besten Hunde-Freundin Maya und mit meiner Lieblings-Renee. Nur kurz schauen, was seit gestern anders aussieht und eben eine ordentliche Portion Trauben für Phuong abschneiden.

Die fand dann auch Renee überraschender Weise lecker und so hab ich eine dreiviertel IKEA Tüte voll abgeschnippelt, dann tat mir mein ausgestreckter Arm weh.
Noch etwas Mangold für die Kürbis-Pfanne am Abend geerntet und gedacht: ich hab diesen Garten Edi so lieb. Im Moment ist alles etwas viel, ich muss mich und meine Tage erst ordnen. Erst zu meinem eigenen Rhytmus finden, nach der Zeit der selbstbestimmten Zeit der Selbständigekeit, aber der Garten ist stark und wächst zur Not auch ein wenig ohne mich.

Wie die Trauben. Die waren, als wir den Garten Edi bekamen, nicht mehr als eine Vorahnung. Ranken und Blätter. Dann kamen die kleinen Kügelchen, grün und winzig. Die wuchsen, und das in unzähligen Trauben. Wie kleine Kolonien.

Ich hab irgendwo gelesen, dass man einige der unreifen Kügelchen-Konglomerate abschneiden muss. Um den anderen Kraft zu geben. Wir haben das halbherzig probiert, mit Yvonnes Hilfe. Ein ganzer Eimer unreifer Trauben wanderte auf den Kompost. Das war irgendwie ein trauriger Abschied und ich hab mir Gedanken darüber gemacht, warum ausgerechnet diese Trauben niemals ihr Trauben-Ziel erreichen sollten und statt dessen von den Würmern zerlegt werden würden...

Irgendwie habe ich seit den Trauben angefangen, Dingen mehr gedankenlos ihren Lauf zu lassen. Ich weiß nicht, ob das gut ist. Aber ich glaube, dass es uns allem im Moment besser geht, wenn wir weniger TUN und viel, viel mehr GESCHEHEN LASSEN. Es passiert schon ohne unser Zutuen schon genug. Die Trauben sind gewachsen. Sie sind jetzt ein dunkles Blau, sie schmecken gut. Anders. Wild. Und das ist gut.

Ich muss entspannter werden. Muss aufhören, zu viel darüber nachzudenken, was ich tun MÜSSTE und KÖNNTE im Garten. Ich habe gerade wegen dem neuen Job nicht so viel Energie für diesen anstrengenden Konjunktiv. Ich sollte mehr zulassen. Und wenn es Unkraut und Kopfschütteln der Nachbarn ist.